Hartnäckig wird in diversen Ratgebern die Formel des Erfolges angepriesen: Du musst nur fest an dich glauben, dann ist dir alles möglich! Ist es damit allein wirklich getan?

Wieviel Sinn macht Optimismus?

Wehe, wenn dein gesetztes Ziel in weite Ferne gerät, deine Vorhaben scheitern und du merkst, wie dir die viel zitierten Felle davonschwimmen. Dann fühlt sich manch gescheitertes Menschlein hilflos, klein und wertlos. Hier liegt das Problem: glaube ich an mich und scheitere ich, fühle ich mich schlecht. Habe ich womöglich zu wenig an mich und die Sache geglaubt? Warum sollte eine optimistische Lebenseinstellung also sinnvoll sein?

Wozu sollte man dann zuversichtlich leben?

Diese Frage lässt sich rasch beantworten: die ExpertInnen sind sich darin einig, dass zuversichtliche Menschen gesünder leben. Optimisten haben eine geringere Wahrscheinlichkeit an Depressionen zu erkranken und schütten weniger Stresshormone aus. Ebenso zeigt sich der Blutdruck dankbar über die positive Gemütsstimmung und bleibt niedrig, was ein Schlaganfallrisiko verringert. Aber jetzt kommt der Extra-Bonus: eine Studie der Universität Greifswald[1] zufolge, erhalten Menschen mit einer optimistischen Lebenseinstellung mehr soziale Akzeptanz und sind dadurch beliebter als Pessimisten. Optimisten wirken zudem insgesamt auf ihr Umfeld attraktiver.

Optimismus: in die Wiege gelegt oder erlernt?

Ob ein Mensch frohen Mutes durch die Welt spaziert oder eher ängstlich und besorgt, ist zum Teil ein Persönlichkeitsmerkmal, welches als genetische Komponente angelegt ist. Dieser Umstand soll allerdings nicht dazu verleiten, seine Lebensskepsis als unveränderbar hinzunehmen. An alle Pessimisten ergeht die gute Nachricht: durch neue Erfahrungen und neue Bewertungen von Situationen lässt sich die Einstellung zu den Dingen positiv verändern. „Einstellungsmodulation“ nennt das die Logotherapie. Viele menschliche Probleme ergeben sich durch die Einstellung zu den Dingen. Negative Gedanken können Probleme erzeugen und trüben die Sicht auf Lösungen. Dadurch schadet sich der Mensch selbst, erzeugt eine Spirale des Negativen und nimmt seine Sichtweise als die einzig wahre an.

Der Weg zur Zuversicht

Der österreichische Lehrer und Aphoristiker Ernst Festl sagte treffend: Zuversicht ist Einsicht auf Aussicht. Allerdings reichen Zuversicht und positive Gedanken alleine nicht aus, um der Spirale der destruktiven Gedanken und Lebenseinstellungen zu entkommen. Der wahre Kraftmotor liegt in der positiven Emotion, in der gefühlten Erfahrung schöner Erlebnisse und Momente. Also bewusstes Nachspüren, wenn uns ein Moment ein Lächeln entlockt, wenn wir uns erfreuen, wenn wir in eine innige Umarmung mit einem geliebten Menschen versinken oder Mitgefühl und Berührtheit empfinden. Im Grunde bedeutet es, den positiven Emotionen Platz einzuräumen, ganz im Hier und Jetzt zu sein und festzustellen, dass es jeden Tag erwärmende Momente gibt, die unser Herz erhellen und erfüllen. “Lose your mind and come to your senses”, verkündete Frederick Perls, Psychiater, Psychotherapeut und Mitbegründer der Gestalttherapie. Damit bringt er zum Ausdruck „Verliere deinen Verstand und verlasse dich auf deine Sinne.“[2]

Schönrederei

All das hat nichts damit zu tun, sich Situationen schön zu reden. Denn wahrer Optimismus bedeutet nicht, alles nur in rosa Wölkchen gehüllt mit Schmetterlingen zu sehen und Negatives zu verdrängen. Echte Optimisten sind in der Lage zu erkennen, wenn etwas nicht so wie gewünscht gelaufen ist. Schmerzvolles Scheitern ist Teil unseres Lebens und wir dürfen ein gesundes Maß an Frustrationstoleranz entwickeln. Der deutsche Psychologieprofessor Julius Kuhn[3] bringt es auf den Punkt „Es geht darum, die Schwierigkeiten, die man mit Schwierigkeiten hat, meistern zu lernen.“

Tipps für mehr Zuversicht

  1. Lernen Sie im Moment zu sein und schöne Augenblicke im Herzen zu fühlen.
  2. Sammeln Sie positive Momente, die Sie erlebt haben und tagtäglich erleben – möglichst viele, möglichst oft! Machen Sie emotionale Momentaufnahmen. Schreiben Sie diese auf!
  3. Erkennen Sie Ihre Handlungsfähigkeit im eigenen Leben – kommen Sie ins Tun, zeigen Sie sich engagiert und nehmen Sie Ihr Leben in die Hand.
  4. Überlegen Sie, worin Ihr Lebenssinn liegt? Wann sind Augenblicke, in denen Sie ganz im Moment sind und sich in der Sache vergessen. Was würden Sie tun, auch wenn Sie niemand dazu auffordert oder Sie Geld dafür bekommen – schlichtweg weil Sie es zu dieser Aufgabe hinzieht? Hegen Sie dabei nicht den Anspruch, nur große Sinnhaftigkeiten zu suchen – finden Sie den Sinn auch im Kleinen: in der Gartenarbeit, im Betrachten der Natur, im Betreuen Ihrer Kinder, in Erlebnissen mit der Partnerin/dem Partner oder im Verweilen im Moment.
  5. Machen Sie Dinge im Leben mit ganzem Herzen und mit Leib und Seele.

Herzlichst, Ihre Andrea Glehr-Schmit


[1] Unterschiedliche Wertschätzung, aber gleiche Unterstützungsbereitschaft, November 15, 2007

[2] Selbstwerdung, Peter Philipson, S. 134 (Fußzeile)

[3] Psychologie Heute, April 2018, S. 23